Der Apostel Petrus wollte es genau wissen. Er fragte Jesus, ob es genügt siebenmal zu verzeihen, wenn jemanden einem etwas angetan hat. Jesus antwortet: Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal soll man verzeihen.
Die Zahl siebenundsiebzig beschreibt dabei aber keine festgelegte Zahl für das Verzeihen, sondern bedeutet in der jüdisch-rabbinischen Zahlensymbolik eine heilige Zahl, die für die Unendlichkeit steht. Das heisst also, unendlich viele Male sollte man verzeihen!
Ist das nicht zuviel verlangt? Wie viele Menschen werden auf das schwerste verletzt. Da ist die betrogene Ehefrau oder der verlassene Ehemann.*** Da ist das Opfer eines Verkehrsunfalls, das im Rollstuhl sitzt, weil ein anderer betrunken Auto gefahren ist. Da leidet ein junger Mensch unter Angststörungen und Depressionen, weil er als Kind regelmässig missbraucht oder geschlagen worden ist. Kann man solchen Menschen zumuten zu verzeihen, und das immer wieder?
Wie soll das möglich sein?
Gott ist bereit jedem, der bereut und sein Leben ändert, seine Schuld, egal wie hoch sie ist, zu vergeben. Aus dieser Güte heraus erwartet er allerdings, dass auch derjenige, dem er verziehen hat, selbst bereit ist zu verzeihen. Das scheint zunächst hart zu klingen, aber der Verletzte muss nicht verzeihen, weil Gott ihn noch mehr quälen will, sondern weil Gott den Verletzten dadurch heilen will. Beim Vergeben und Verzeihen geht es nicht allein um die Leute, die andere verletzen, sondern zuerst um den Verletzten selber.
Natürlich ist es nicht einfach zu verzeihen. Verzeihen muss man lernen, aber die Erfahrung zeigt: Wenn mein eigenes Leben gelingen soll, dann gibt es keine Alternative dazu. Auch diejenigen, die nicht an Gott glauben und trotzdem gütig und gerecht sind, sind es nicht aus sich selbst, sondern sie können nur deshalb gut und gerecht handeln, weil Gott als Schöpfer jedem Menschen durch die natürliche Vernunft die Einsicht geschenkt hat, dass es gut und vernünftig ist, verzeihen zu können.
Es wird immer Situationen im Leben geben, wo man darauf angewiesen ist, dass andere mir verzeihen. An einer anderen Stelle weist die Bibel auf die Goldene Regel hin. Jesu sagt: Was du nicht willst, das man dir tut, das tu auch keinem anderen, oder umgekehrt formuliert: Was du willst, das man dir tut, das tu auch anderen.
Loslassen können
Eine Versöhnung besteht aber nicht darin, Menschen ihren Schmerz auszureden. Dienst an der Versöhnung möchte demjenigen, dem Unrecht widerfahren ist, zu erkennen geben, dass Vergeben und Verzeihen nicht Vergessen bedeutet, sondern ein notwendiger, bewusster und erinnernder Schritt des Loslassens ist, um so von einer Verletzung geheilt werden zu können. Auch wenn das christliche Grundgebot, immer wieder bereit zu sein, dem anderen zu vergeben und zu verzeihen, manchmal als Zumutung erscheinen mag, ist es dennoch die Voraussetzung für ein erfülltes Leben
Wer nicht verzeihen kann straft sich selbst
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Verzeihen als Allheilmittel? Was das Vergeben alles bewirken kann und wie gesund es ist, seinen Mitmenschen Kränkungen zu verzeihen.
Dass Ärger und ungelöste Probleme krank machen können, ist bekannt. Und jeder kennt das Gefühl der Befreiung und Erleichterung nach einer Versöhnung. Wenn einem der sprichwörtliche Stein vom Herzen fällt. Genau das haben auch Studien zum Verzeihen gezeigt.
So soll Verzeihen den Blutdruck senken: Jedenfalls hatten in einer Studie von Loren Toussaint diejenigen, die von ihrer Persönlichkeit mehr zum Verzeihen tendierten, einen niedrigeren Blutdruck. Eine andere Studie eines Psychiaters der Duke University, James Carson zeigt, dass Verzeihen chronische Rückenschmerzen und Depression lindern kann.
Der Psychologe Frederic Luskin, Begründer des "Forgiveness"-Projekts an der kalifornischen Stanford-Universität, hat ein Vergebungsunterricht mit 250 Personen durchgeführt. Ergebnis: Verzeihen reduzierte die Stresssymptome von Kopf- und Magenschmerzen bis hin zu Müdigkeit und Schwindel. Durch Vergebung sanken Blutdruck und Puls, Muskelverspannungen nahmen ab. Auch die seelische Verfassung der Teilnehmer verbesserte sich. Noch Monate nach dem Verzeih-Kurs fühlten sich die Teilnehmer vitaler und optimistischer.
Warum verzeihen so wichtig ist
Fast jeder Mensch hat irgendwo in seinem Innern ein paar "unerledigte Geschichten. Ereignisse, die wir nicht verzeihen können. Viele quälen sich damit, darüber zu grübeln: "Warum nur! Wie kann er mir so etwas antun?" Da sich Gedanken auch auf unseren Körper und unsere Gefühle auswirken, können nachtragende Gedanken einem aus dem inneren Gleichgewicht bringen.
Was hindert uns daran, anderen zu verzeihen?
Das sind wir selbst. Wir sagen uns: "Sein Verhalten hat mich so stark getroffen. Das kann ich ihm nicht verzeihen!" Es ist eine Art „Bestrafung“, die wir damit bewirken wollen. Natürlich kann es eine Strafe für den anderen sein, wenn wir nicht bereit sind, ihm oder ihr zu vergeben. Aber wir übersehen dabei, dass wir uns so selber am meisten bestrafen. Wir verurteilen uns dadurch dazu, nicht vergessen zu können. Die „Bestrafung“ richtet sich gegen uns selbst. Der andere, den wir eigentlich so „treffen“ wollen, bekommt meist wenig davon mit. Auch wenn wir ihm aus dem Weg gehen und ihm dadurch unser Verletztsein deutlich zeigen, wird er in der Regel lange nicht so betroffen sein wie wir selbst.
„Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“, ist nicht nur ein Teil eines Gebetes, sondern eine Grundregel für das Wohlbefinden eines Menschen. Wer an seinem Schmerz festhält, bestraft sich letzen Endes selbst. Damit verschwenden wir unsere kostbare Lebensenergie, die wir sonst für Schöneres einsetzen könnten. Wer verzeiht, lässt nicht zu, dass andere Menschen oder Ereignisse das eigene Leben dauerhaft beeinflussen können